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Rezension: Tiny Epic Quest – Gamelyn Games (Scott Almes)

Autor: Ben

Große Spiele und großer Spaß in kleinen Boxen versprechen uns die Tiny Epic Spiele seit 2014. Im neusten Teil der Reihe ziehen unsere Meeples aus in die Fantasy-Welt, um Geschichte zu Schreiben und zu Helden zu werden.

Nachdem Tiny Epic Kingdom die winzigen Türen zur Tiny Epic Welt aufstieß und wir zuletzt in den Wilden Westen (Tiny Epic Western – 2016) und das Weltall (Tiny Epic Galaxies – 2015) erleben durften, entführen uns die Miniaturen von Gamelyn Games mit Tiny Epic Quest jetzt ins Fantasy Genre. Der Titel durchlief im November 2016 sehr erfolgreich mit dem knapp 40fachen der ursprünglich anvisierten 15.000$ ein Crowdfunding bei Kickstarter.

Ob auch kleine Helden große Abenteuer bestehen können, haben wir für euch ausprobiert.

Spielablauf

Tiny Epic Quest fordert von uns, was vom modernen Helden abverlangt wird: Durch die Lande zu ziehen um Monster zu erschlagen, verlassene Tempel zu erkunden, die Magie zu meistern und epische Quests, die in Form von immer 3 Karten ausliegen, zu erfüllen. Denn nur wer so seinen Fußabdruck in der Geschichte hinterlässt, wird als wahrer Held unsterblich.  Auskunft über den letztendlichen Status der Unsterblichkeit gibt am Ende des Spiels die Siegpunktabrechnung in die tote Goblins, aktuelle Magiestufe, erfüllte Quests und erbeutet epische Gegenstände einfließen.

Wir betreuen gleich ein ganzes Heldentrio. Diese drei Recken sind wohl sehr eng miteinander verbunden, wahrscheinlich Geschwister, da sie sich ihre Lebensenergie und Zauberkraft teilen und später unter dem Familiennamen oder einem schnittigen Künstlernamen das Pergament der Geschichtsschreiber zieren. Praktischerweise verteilen sie sich so aber wesentlich effektiver in der Welt, um an ihrem Platz in den Liedern der Barden zu feilen.

Die Zauberkraft kann eingesetzt werden, um Schaden zu verhindern, das Erforschen von Tempeln zu beschleunigen, durch Regionen mit aggressiven Monstern zu reisen und auch um die Fähigkeiten von magischen Items zu nutzen.

Der Tag

Unsere Helden bewegen sich anhand verschiedener Fortbewegungsmittel über und um die Insel, namentlich dem Pferd (waagerecht), dem Floß (vertikal), dem Greif (diagonal), dem Schiff (am Rand entlang) oder ganz klassisch per pedes (in ein angrenzendes Feld) und müssen tagsüber dort lediglich wütende Goblins fürchten. Diese können aber mittels Einsatz von Zauberkraft für einen Tag befriedet werden, um den Weg frei zu machen. Für einen Helden also kein Problem!

Nach und nach wählt jeder Spieler ein Fortbewegungsmittel und jeder darf die gerade vom aktiven Spieler ausgewählte Bewegung durchführen oder muss passen.

Schon damit können die ersten Quests erfüllt werden, nämlich die Bewegungsquests. Um diese zu erfüllen, müssen unsere drei Geschwister an definierten Orten, in bestimmter Formation oder Entfernung zueinander stehen. Als Belohnung winken, neben den Siegpunkten, noch Regeneration von Lebensenergie oder Zauberkraft.

Hat jeder einmal gewählt ,hatten wir genug der Bewegung. Die Nacht beginnt.

Die Nacht

Jetzt kommt es nicht mehr so sehr auf die Fußarbeit, sondern auf den echten Heldenmut an. Alte Tempel wollen erforscht, die Geheimnisse der Magie ergründet und Monster erschlagen werden. Nun gut, wahrscheinlich wollen die Monster nicht erschlagen werden, aber Heldengeschichten sind nicht berühmt dafür von beiden Seiten der Medaille zu berichten.

Nun kommt der beste Freund der Rollenspielers ins Spiels: Der Würfel. In Form von fünf custom dice, dessen Seiten einen Goblinkopf (Schaden für die Helden), einen Blitz (Regeneration von Zauberkraft), einen Pilz (Erhöhung des magischen Pulses der Welt), eine Fackel oder eine Karte (beide zum Voranschreiten in den entsprechenden Tempeln) oder eine Faust (Schaden für die Monster) zeigen.

Diese Würfel bestimmen nun mit jedem Wurf nicht nur das Schicksal der Würfelnden, sondern sogleich auch das der Mitspieler und der ganzen Welt. Jeder Spieler kann reihum entscheiden, ob er sich weiter in die Abenteuer der Nacht wirft, oder sich den Gefahren, zugunsten eines gemütlichen Nachtlagers, entzieht.

Wer sich aber entscheidet zu würfeln begibt sich mit der Hoffnung auf Belohnung auch in Gefahr. Da Schaden und Regeneration von Zauberkraft im Uhrzeigersinn vom Würfelnden aus verteilt und Fortschritt in Tempeln und Schaden für Goblins sogar für jeden gleichermaßen genutzt werden können, sitzen alle noch nicht im Nachtlager befindlichen Spieler und deren Helden im gleichen Boot. Erst der Rückzug aus dem Abenteuer bedeutet die Sicherheit vor der rauen Welt und das erfolgreiche Heimtragen der Beute.

Beute? Jawohl! Die zweite Art der Quests sind die Item-Quests und stehen kurz gesagt dafür, dass sich in einem bestimmten Tempel ein magischer Gegenstand befindet, den der erste Erforscher mit nach Hause bringen kann und von seiner einzigartigen Fähigkeit Gebrauch machen kann. Auch dies ist natürlich der Stoff aus dem Helden gemacht werden und so gehen auch diese erfüllten Quests selbstverständlich in die abschließende Unsterblichkeitsrechnung ein.

Ein Held ist erst dann ein richtiger Held, wenn er von einzigartigem Profil ist. Das spiegelt sich durch seine eigene Agenda in Form von unterschiedlichen Tempelkombinationen wieder, die er durchlaufen muss um an -seine- legendären Gegenstände zu kommen. Die Tatsache, dass jeder Spieler eigene legendäre Gegenstände und einen individuellen Weg zu diesen besitzt, lässt stark vermuten, dass es sich hierbei um Familienerbstücke handeln muss!

Beute der eher intellektuellen Art gibt es an den magischen Obelisken. Jeder von ihnen beherbergt eine magische These, symbolisiert von verschiedenen Tiersymbolen. Umso unerfahrener der junge Magus, umso mehr muss die Macht der Magie in der Welt pulsieren, damit er dieser Aufgabe in nächtlichem Studium gewachsen ist. Es wird sich für ihn lohnen ehrgeizig zu lernen, denn magische Expertise ist Wasser auf die Mühlen der Barden und erhöht zudem noch den Maximalwert der Zauberkraft.

Gelingt es einem Recken im Zweikampf einen Goblin zu erschlagen, geht er aus dieser Konfrontation körperlich gestählt mit einer erhöhten maximale Lebensenergie hervor. Nachdem die Überlieferung so schöngeschrieben wurde, dass es sich um einen finsteren Troll oder einen fürchterlichen Oger gehandelt hat, der sein Leben lassen musste, geht solche geschönte, mutige Tat in Form von Siegpunkten in das Epos des jungen Helden ein.

Manch einer mag die Gefahr unterschätzen und zu ihrem Opfer werden. Im Zuge eines Happy Ends kann in einem Epos aber nur mit einem Rückschlag für, nicht aber mit dem Tod des Protagonisten gerechnet werden. Sinkt die Lebensenergie auf 0, geht er also erschöpft in die heimische Burg und nicht etwa kalt in den heimischen Totenacker.

Sind alle Spieler erschöpft zu Hause und sicher in ihren Betten hat die Nacht mit all ihrem Schrecken ihre Schuldigkeit getan und wird vom nächsten Tag abgelöst.

Gespielt werden 5 Tage (jeweils mit Tag und Nacht). Danach ist, wie wir alle wissen, Wochenende und die Heldengewerkschaft würde uns gehörig den Marsch blasen, wenn wir unsere Helden da arbeiten ließen.

Das Material

Schon im Crowdfunding warb man stark mit den ITEMeeples. Das ist nicht nur ein schöner Kunstname, sondern auch eine schöne Idee. Praktisch verstecken sich hinter diesem Begriff Meeples in klassischer Form (zurückgehend auf das Spiel Carcassonne), die Steckplätze in Höhe der Hände haben, in welche man Items stecken und die Figuren damit ausrüsten kann. Diese wirken auch über die Bilder im Crowdfunding hinaus im fertigen Spiel noch hervorragend als Eye-Catcher, funktionieren aber natürlich nur mit der mitgelieferten fantasy-gerechten Auswahl an Ausrüstung, die unsere Helden mit zusätzlichen Fertigkeiten ausstattet. Ein Held mit Schwert und Schild sieht nicht nur stimmiger aus, sondern gewinnt damit auch Stärken, die diesen Gegenständen entsprechen. Die Boni der Items sind rundum stimmig im Bezug auf ihren Typ. Ein magischer Wanderstab lässt den Träger bei jeder Bewegung Zauberkraft regenerieren, der epische Magierstab erlaubt durch das Ausgeben von Zauberkraft magischen Puls der Welt nach oben zu beeinflussen.

Von diesen ITEMeeples bekommen wir direkt 12 Stück (je 3 für jede der 4 Farben) und damit jede Hand auch gefüllt werden kann 24 Items, für die auch ein schöner Pappaufsteller mit Steckplätzen beiliegt, um diese optisch reizvoll zu präsentieren.

Das Brett formt sich durch ausgelegte Landschaftskarten in fester Anordnung, aber immer zufälligen Verteilung, in Form einer Insel, die unsere Fantasywelt darstellt, durch die unsere Meeple-Helden ziehen, um sich zu beweisen. Diese Karten beherbergen immer 2 Orte, die verschiedene Handlungen ermöglichen. Für eine der Beiden müssen wir uns beim Betreten entscheiden.

Jede Karte besitzt eine helle Seite für das einfache und eine dunkle Seite für das fortgeschrittene Spiel (in der Anleitung unter dem Decknamen Spielvariante GloomFall geführt)

Die Anleitung verlangt dem Leser im ersten Anlauf aufgrund ihres Umfangs (25 Seite auf Packungsgröße) einiges an Energie ab, glänzt aber im späteren Verlauf mit einer Bildsprache, die die passende Stelle zum Nachschlagen oft schon durch die angefügte Symbolik schnell finden lässt.  

Geek-Gimmik: Auf der Schachtel finden sich für den passionierten Sleever sofort die Informationen, welchen Größen die Card Sleeves für die beiliegenden Karten haben müssen.

Eckdaten

  • Autor: Scott Almes
  • Erscheinungsjahr: 2017
  • Sprache: Englisch
  • Preis:  ~ 30 EUR

Weiteres Material 

Die Regeln lassen sich auf der Seite des Herstellers herunterladen. Zudem verweist die Anleitung direkt auf dem Cover auf die Videoanleitung von watch it played, die den Einsteig deutlich erleichtert.

Das erste kleine AddOn Magic Mushrooms wurde direkt über die Kickstarter-Kampagne als Strechgoal mitfinanziert und fand sich dann auch in dem von mir auf der Spiel17 in Essen gekauften Exemplar.

Gamelyn Games vertreibt ergänzend eine 66cm im Quadrat messende Spielmatte aus Neopren, die in ihrem Format aber wohl das Konzept der Transportabilität für diesen extra kleine Spiel nicht unterstützt. Da der Werkstoff derzeit aber stark im Trend zu liegen scheinen, bleibt der Erfolg dieses Zusatzprodukts sicherlich neugierig zu beobachten.

Fazit

Das Spiel wirbt mit low downtime und löst dies auch bedingungslos ein. Man achtet in der Tag-Phase stets darauf welche Bewegung der aktive Spieler auswählt, ob jemand den Tempel blockiert, den man eigentlich selbst erkunden wollte oder jemand die ausliegende Quest erfüllt, an deren Erfüllung man gerade arbeitete, und so weiter. In der Nacht betrifft jeden jeder Würfelwurf, so dass man jedes Mal kurz den Atem anhält, wenn die Würfel in die kleine Box fallen. Die emotionale Involviertheit bricht nur ab, wenn man sich selbst entschließt, durch das Rasten, die Nacht für sich selbst zu beenden. Was sich dann für den Spieler durchaus wie eine Erleichterung anfühlen kann, wie das Sinken auf das heimische Sofa nach einem harten Arbeitstag. Jede weitere Runde für die man sich entschließt setzt einen mehr unter Strom. Das klassische push your luck fügt sich thematisch wunderbar ein und lässt den Spieler fast körperlich fühlen in welche Gefahr er sich begibt.

Kurzum: Es wird nie langweilig, man geht mit seinen Helden durch Höhen und Tiefen, entwickelt sie weiter und in Zusammenspiel mit den thematischen Bewegungen (per Floß, Pferd, Fähre, Greif oder zu Fuß), der passend betitelten Quests, wächst so ein Bild über wahre Heldengeschichten vor dem inneren Auge. Tagsüber mit dem Floß zur roten Burg reisen, um in die Bardengilde einzutreten und sobald der Mond am Himmel steht aufbrechen, um eine Flasche magischen Gesöffs aus dem verfallenen Tempel der Schatten zu rauben? Alles kein Problem. Der Funke schlägt über, das Thema packt und lässt bis zur Schlussabrechnung, die dann auch sehr schnell von der Hand geht,  nicht mehr los.

Bewertung

Die Frage drängt sich auf ob dieses Spiel auch ohne das Alleinstellungsmerkmal der geringen Größe  so gut wäre . Die Antwort darauf ist ein deutliches Ja.
Das Spiel besitzt eine hohe Dichte ist liebevoll gestaltet und bietet Einsteigern wie Fortgeschrittenen spaßige Stunden. Experten können die Landschaftskarten umdrehen, um sich einer härteren Herausforderung zu stellen. Easy to learn, hard to master.

Die grundlegenden Regeln sind schnell begriffen und die ersten Erfolge stellen sich schnell ein. Von Spiel zu Spiel durchschaut man nun mehr Zusammenhänge und entwickelt den notwendigen Ehrgeiz, um es immer wieder auf den Tisch zu holen. Das Gleichgewicht zwischen Erfolgserlebnissen und potentiellen Verbesserungspotential hält sich sehr gut und motiviert nach der Punktevergabe, sich in der nächsten Runde sofort wieder selbst zu übertreffen.

Dabei bleibt das eigene Spiel gut genug planbar, aber von mehren Zufallsaspekten, den gezogenen Quests, den Würfelwürfen und natürlich auch dem Verhalten der Mitspieler, beeinflusst, um nicht statisch zu werden. Die eigenen Handlungen haben merklich enorme Auswirkungen, ohne dass eine einzelne, falsche Entscheidung fatale Folgen hätte.

Bemerkenswert ist, dass das Spiel mit jeder möglichen Menge an Spielern sehr gut funktioniert. Selbst die Solo-Spieler Variante funktioniert, ohne die Substanz des Spiels anzugreifen und ohne komplizierte Sonderregeln, sondern nur durch einige kleine Anpassungen, sehr gut.

Bei all diesem Lob, gibt es aber ein paar einfache Punkte, die dieses Zusammenspiel zwischen Thema und Mechanik hätten deutlich verstärken können und unbegreiflicherweise ausgelassen wurden. So gibt es beispielsweise unterschiedliche Farben für die Spieler, die aber nicht mit einer rollenspielerischen Entität verknüpft werden. Es wäre einfach gewesen die thematisch üblichen Krieger, Elfen, Magier oder Zauberer zu hinterlegen. Ohne großen Aufwand hätte man die Spieltiefe noch weiter verbessern können.

Die Tiny Epic-Reihe hat schon verschiedene Erweiterungen hervorgebracht. Es besteht großes Potential mit einer solchen Erweiterung Tiny Epic Quest noch weiter mit dem Thema Rollenspiel zu verbinden.